Badische Zeitung / Artikel zu Klaus Merkel von Dietrich Röschmann: Bilder mit Bildern malen

Von Gerhard Richter bis Mary Heilmann. Abstrakte Malerei aus Privat- und Museumsbesitz. Kunst Museum Winterthur, Beim Stadthaus, Museumstr. 52. Bis 28.4. Di 10-20 Uhr, Mi bis So 10-17 Uhr.

Klaus Merkel
Bilder mit Bildern malen
Badische Zeitung vom 12.03. 2024

Dietrich Roeschmann


Die Räume im Neubauflügel des Kunst Museum Winterthur sind so hell erleuchtet, dass es fast weh tut in den Augen. An den Wänden hängt Abstrakte Malerei von den 1980er Jahren bis heute. Bilder von Gerhard Richter und Mary Heilmann, von Bernard Frize, Louise Fishman, Jack Whitten – sie alle Stars ihrer jeweiligen Szenen und die meisten zugleich skeptisch gegenüber jeder Form des Malerheldentums.

Neben einem bodentiefen Fenster, durch das der trübe Nachmittag in den Saal dämmert, leuchtet ein Großformat in Grün und Weiß. Zwei schwarze Linien pflügen sich parallel vom oberen Rand über die Bildmitte hinaus, begrenzen ein unscharfes Feld in verwaschenem Khaki-Olive. Irgendwann habe er die Bilder dieser Serie einfach „Batterien“ genannt, sagt Klaus Merkel – aufgeladen mit den Entscheidungen aus früheren Werkphasen, mit dem unermüdlichen Nachdenken über die Malerei, über die Unmittelbarkeit und Vermitteltheit ihrer Bilder, und zugleich bereit, ihre Energie einzuspeisen in künftige Bildprogramme.

Erstmals zu sehen war das Bild aus Winterthur 1989 in der New Yorker Massimo Audiello Gallery. Merkel, 1953 in Heidelberg geboren, hatte in den 1970er Jahren an der Freiburger Außenstelle der Kunstakademie Karlsruhe bei Peter Dreher Malerei studiert. In den späten Achtzigern war er dann an mehreren wichtigen Ausstellungen beteiligt. Im Kassler Fridericianum etwa waren seine Arbeiten zusammen mit den erstmals in Deutschland gezeigten Skulpturen von Jeff Koons zu sehen. In Düsseldorf ordnete er sämtliche Bilder seiner Soloschau „freundlich“ auf lediglich einer langen Wand dicht an dicht von der Decke bis zum Boden und entwertete so die Rolle des Einzelbildes zugunsten des größeren Bildzusammenhangs. Die Kritikerin des renommierten US-Kunstmagazin „Artforum“ sah hier einen „Vollprofi bis in die Fingerspitzen“ am Werk: „Seine Arbeiten entsprechen mit äußerster Eleganz und Präzision dem gesamten Lexikon, das wir heute mit uns führen, wenn wir uns Bildern nähern“.

Dass Merkels Bilder in der Ausstellung im Kunst Museum Winterthur der New Yorker Szene zugerechnet werden, ist nicht ohne Grund. Während mehrerer Aufenthalte dort hatte er die Maler David Reed und Jonathan Lasker kennengelernt, mit denen er bis heute eng befreundet ist. Arbeitete sich die Malerei in Deutschland damals intensiv an der deutschen Geschichte ab, stand in den USA Ende der 1980er Jahre die Auseinandersetzung mit der Minimal Art und ihrem Hang zum Systematischen zur Debatte und die Appropriation Art als Kunst der Aneignung zwischen Kopie und Karaoke. Beides kam Merkels Interesse an der Malerei als einem System abstrakter Zeichen entgegen. Anfang der Neunziger Jahre beschloss er, alle seine seit 1988 entstandenen Bilder auf sieben großen Tafeln nebeneinander im Maßstab 1:10 noch einmal zu malen. Diese „Katalogbilder“ markierten einen Wendepunkt in Merkels Werk. Sie bildeten den Fundus, aus dem er sich künftig bedienen sollte. Er begann, „Bilder mit Bildern zu malen“.

Seither ist kein Bild mehr für immer im Archiv verschwunden, alle Motive sind prinzipiell zu jedem Zeitpunkt verfügbar. Sie wandern durch das Werk, sortieren sich zu immer neuen Ordnungen, ältere stehen neben jüngeren, ohne Hierarchie und auf Augenhöhe. Sie kommunizieren miteinander über die Zeiten hinweg. Manchmal lässt er auch Freunde wie aus einem Musterbuch Motive aus seinem Fundus wählen, die er dann auf der Leinwand als „Porträts“ arrangiert oder zu „Stacks“ stapelt. „Meine Bildsprache bewegt sich in eigenen Systemen“, sagt Klaus Merkel, „sie kann einem formalen Plan folgen oder Abbild bereits gemalter Werke sein“. Wie er durch Wiederholung das Verhältnis von Bild, Original und Kopie in Malerei auflöst, macht seine Bilder überraschend vertraut und zugleich absolut gegenwärtig. Tatsächlich wirken viele seiner Leinwände wie Computerdisplays mit zahllosen geöffneten Fenstern, die in immer neuen Sets mögliche Werkzusammenhänge vorschlagen und den Spagat zwischen dem Akt des Malens und dem System der Malerei proben.

Vielleicht ist das mit ein Grund, weshalb Merkels Werk derzeit auch international verstärkt von einer jungen Generation von Malern und Kuratoren wahrgenommen wird, die seine Bilder auf Instagram teilen oder – wie zuletzt in einem Offspace in Los Angeles – für Ausstellungen zu aktuellen Themen wie das Verhältnis von Kunst, Wert und kollektivem Handeln anfragen.

Für Klaus Merkel, der bis 2020 als Professor für Malerei an der Kunstakademie Münster lehrte und kürzlich seinen 70. Geburtstag feierte, ist das nicht nur eine schöne Bestätigung seiner Arbeit, sondern auch Anlass das eigene Bildprogramm aus immer neuen Perspektiven zu reflektieren – und zu erweitern. Auf dem Arbeitstisch in seinem Freiburger Atelier liegen schon die korrigierten Skizzen für das nächste Bild.

Von Gerhard Richter bis Mary Heilmann /Abstrakte Malerei aus Privat- und Museumsbesitz

Winterthur, Kunst Museum Winterthur
3. Februar 2024 - 28. April 2024
Eröffnung: 2. Februar 2024 um 00:00 Uhr

Kunst Museum Winterthur / Von Gerhard Richter bis Mary Heilmann

03. Februar bis 28. April 2024

Das Kunst Museum Winterthur verfügt über eine erstrangige Sammlung zeitgenössischer Malerei. Diese gilt es in wechselnden Ausstellungen immer wieder aus neuen Perspektiven zu befragen, sei dies in Einzelausstellungen zu herausragenden Exponenten der Malerei, sei dies in thematischen Ausstellungen, die Aspekten der Malerei gewidmet sind – zuletzt 2019 mit „Frozen Gesture. Gesten in der Malerei“.

„Von Gerhard Richter bis Mary Heilmann“ setzt bedeutende Werke der Sammlung in Dialog mit ausgewählten Leihgaben aus Privatbesitz und demonstriert den Reichtum abstrakter Malerei seit den 1980er Jahre. Damals räumte die Postmoderne endgültig mit historischen Vorstellungen künstlerischer Avantgarden auf, und öffnete insbesondere das Feld malerischer Möglichkeiten. Die Errungenschaften der historischen Avantgarde gerieten zusammen mit der gesamten Tafelbildtradition zum frei verfügbaren Formenvorrat für die Kunst und konnten kopiert, variiert oder zitiert werden.

Die auf den ersten Blick kaum eindeutig zu bestimmenden malerischen Haltungen seit den 1990er Jahren beschränkten sich nicht auf eine Revision der Moderne bzw. auf die Wiederaufnahme historischer Stile; vielmehr positionierten sie sich in einem
spannungsvollen Dazwischen. Sie verbanden die autonome Bildsprache der historischen Abstraktion mit der Figuration und damit mit der Wirklichkeit. Letztlich versöhnten sie mit diesem Ansatz die historische Avantgarde mit der Gegenwart.

Die Ausstellung entstand in engem Dialog mit privaten Sammlern und mit der Kienzle Art Foundation, die dem Museum umfangreiche Werkgruppen als Dauerleihgabe zur Verfügung stellte.

Die Ausstellung wird ergänzt durch plastische Interventionen des amerikanischen Bildhauers Michael E. Smith. Kurator: Lynn Kost

Ausgestellte Künstlerinnen und Künstler:

Elizabeth Cooper
Louise Fishman
Pia Fries
Bernard Frize
Katharina Grosse
Mary Heilmann
Harriet Korman
Jonathan Lasker
Klaus Merkel
David Reed
Gerhard Richter
Christoph Rütimann
Gary Stephan
Walter Swennen
Michael Venezia
Jack Whitten


Kurator: Konrad Bitterli

Blind leading the Blind / Editionsangebot aus dem Atelier Klaus Merkel für die Finanzierung einer Monografie mit dem Autor Hans Jürgen Hafner

Klaus Merkel
23.03.23 Blind leading the Blind, original gemalte Version
30 x 24 cm
Ölfarbe auf acrylgrundierter Leinwand
2023
490.- Euro (inklusive Versand)

Diese Edition 23..03.23 # 1 - 38 - ist als Crowdfunding-Modell entwickelt - für die Finanzierung meiner Monografie, die Ende 2024 fertig gestellt sein wird.

Der Erlös aus dem Verkauf dient der Finanzierung des monografischen Buchprojekts
„Klaus Merkel - Malerei und Oeuvre. 1980 - 2023“ des Autors und Ausstellungsmachers Hans-Jürgen Hafner, das einen umfassenden Blick auf die Arbeit von Klaus Merkel von den frühen 1980er-Jahren bis heute liefern wird und auch seine künstlerische Praxis als Maler vor dem Hintergrund der künstlerischen und kunstbetrieblichen Entwicklungen der vergangenen 40 Jahre zur Darstellung bringt.

Bei Bestellung bitte ich um direkte kurze verbildliche Zusage per mail, unbedingt mit der Post/Lieferadresse der Bestellerin, des Bestellers.

Der Name der Besteller*in wird auf Wunsch neben den anderen Geldgeber*innen, im Buch aufgeführt.

Das Bild „23.03.23 Blind leading the Blind“ (mit entsprechender Werknummer) wird nach Zahlung auf unten angeführtes Konto unverzüglich auf dem versicherten Postweg an die Besteller*in professionell verpackt und mit einliegender Rechnung übersandt.

Es werden lediglich 38 limitierte Bilder zum Verkauf zum Spezialpreis á 490.- Euro angeboten und entsprechend der eingehenden Zahlungen nummeriert und verschickt.




Klaus Merkel Verwendungszweck MONOGRAFIE
IBAN: DE09 6805 2328 1000 7632 41
BIC: SOLADES1STF
Steuernummer: 07409/03415

Die Bewertung der Kunst Werke aus der Sammlung Kienzle / Katalogbuch

Kunstmuseum Reutlingen, Fabian Ginsberg und Ina Dinter / Distanz Verlag

Das Buch dokumentiert und erweitert die Ausstellung „Die Bewertung der Kunst“, die vier künstlerische Werke zusammenbringt, die in je unterschiedlicher Weise die Krise der Repräsentation reflektieren. In ihrem Vergleich entwickelt der Autor eine Geschichtlichkeit der Repräsentationskritik, die gegenüber der zentralen Ausstellung „Pictures“ im Artist‘s Space in New York 1977 Vorläufer und alternative Begriffsbildungen aufzeigt.

Werke von Jack Goldstein, Ketty La Rocca, Josef Kramhöller und Klaus Merkel stehen für verschiedene Stadien zwischen 1970 und 2000, in denen der Zusammenhang zwischen Repräsentation, Bildern und Wirklichkeit sich löst und neu verknüpft wird. Die Werke stammen aus der Kienzle Art Foundation, die sich in Ausstellungen und Publikationen seit Jahren der Neuvermessung und -bewertung kunstgeschichtlicher Theoriebildung verpflichtet fühlt. Fabian Ginsberg ist Künstler und Autor.