Die Probleme der Malerei - Farbe, Kontrast, Figur/Grund, Fläche/Linie, Textur, Geste, Realismus/ Abstraktion, ihre Präsentation sowie Rezeption - sind komplex: das heißt, sie sind nicht lösbar in dem Sinne, als dass jede Lösung im Teil die Problemstellung im Ganzen neu rekonfiguriert. Diesem Dispositiv nimmt sich der 1953 geborene Maler Klaus Merkel seit nunmehr über 30 Jahren in seiner Praxis an. Bereits die ersten Ausstellungen positionieren sich durch unorthodoxe Hängungen - Cluster/Block/Serialität - gegen eine Auratisierung des einzelnen Tafelbildes und verhandeln bewusst ihren Charakter als spezifische Form des Zeigens mit. Finden diese Bildinstallationen gewissermaßen einen Abschluss 1988 in einer Einzelausstellung im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf, bei der 25 Großformate auf einer Wand im sonst leeren Aus-stellungsraum durch diesen Hyperrahmen zu einem Bild werden, folgt bald darauf, in einer Zeit der allgemeinen Krisenhaftigkeit von Kunst-, Wirtschafts- und Ideologiesystemen, ein scharfer Schnitt in seiner malerischen Praxis, eine Wendung, die unerwartete Perspektiven und Potentiale hinsichtlich dessen eröffnet, was innerhalb eines Bildes auch über die „Krise der Repräsentation“ (Ann Goldstein) hinaus verhandelt werden kann.
In der Stuttgarter Galerie Annette Gmeiner zeigt Klaus Merkel 1993 erstmals seine Katalogbilder: auf fünf im Raum stehenden Paneelen findet sich in seriell-indexikalischer Anordnung sein fast gesamtes vorangegangenes bildnerisches Werk im Maßstab 1:10 verkleinert, malerisch reproduziert. Damit gelingt es ihm - neben der fortschreitenden Entwertung des Einzelbildes nicht nur gegenüber dessen Kopie, sondern vor allem gegenüber seiner Kopierbarkeit per se - die Organisation, Rezeption und Zirkulation von (Ab)Bildern - der Katalog als bleibendes Derivat der ephemeren Anordnung Ausstellung - in das Bild selbst zu holen und darüber hinaus sogar zu einem solchen eigenen Rechtes zu erheben.
Er schafft damit auch ein Verzeichnis, welches in der Folge für ihn - aber auch von Seiten des Rezipienten nachvollziehbar - den Grundstock bietet, um - wie er sagt - „Bilder mit Bildern zu malen“. Da er dadurch den Faktor der bedeutungsschweren künstlerischen Kreation aus dem Spiel nimmt, schafft er es durch Wiederholungen in unterschiedlichen Anordnungen, Serien und Formaten, eine gewisse Leere zu produzieren (ähnlich wie z.B. auch On Kawara, Ad Reinhardt oder Louise Lawler), die es im weiteren Verlauf mehr und mehr erlaubt, den Blick für die konstituierenden Meta-Ebenen der Kunstproduktion und Rezeption zu schärfen: Über die medienspezifische und immer auch materielle Dynamik der Gattung Malerei gelingt ihm modellhaft für die Kunst überhaupt die Ästhetisierung des umfassenden, konstitutiven Kontextes, der somit direkt erfahrbar und zum Objekt der Verhandlung wird.
Angesichts der hyperspezifischen, beschleunigten Zirkulation und Konsumption von Installationsansichten unserer Zeit ist diese Auseinandersetzung relevanter denn je: so sind Plattformen wie Tumblr oder Instagram, neben diversen Blogs, Magazinen und nach wie vor eben Katalogen, die zumindest quantitativ primäre Form der Rezeption und es werden mehr Bilder von Kunst gesehen, als jemals zuvor. Doch zu welchen Bedingungen und mit welchen Folgen?
Gleichzeitig wird dadurch auch unsere Fähigkeit des Lesens von Bildern eine andere: vom Horizont zum Raster, vom linearen Text zum Über-, Unter- und Nebeneinander. Diese Verschiebung in intellektueller wie auch physiologischer Konditionierung wurde durch Klaus Merkel bereits früh antizipiert.
Zudem formuliert er den Anspruch, dass jedes einzelne Bild neben verschiedenen anderen Bildern oder auch Kontexten qualitativ und medienspezifisch bestehen, also irgendwie gut sein muss. Dass ein Bild also immer mehr sein muss, als lediglich eine Referenz im „gemalten Diskurs“ (Markus Brüderlin), wodurch überhaupt erst seine ausgeklügelten Systeme der Rekombinationen, in denen eben alle Einzelelemente auch ihr jeweiliges Nebeneinander konfigurieren, möglich werden. In diesem Sinne zieht er maltechnisch jene Register, die neben den Bildern als Akteure auch das vielseitige Inventar des eigenen Handwerkes auf die Bühne bringen: glatte Flächen gegen grobe Pinselstriche, hard vs. bleeding edge, Waschungen und nass-in-nass, viel flatness, aber auch pastose Flecken, Transparenz und Opazität. So bildet z.B. die Serie Salate ab 1995 mit ihren spontanen, expressiven und nicht zu reproduzierenden Gesten einen quasi stabilisierenden Antagonisten zur rigiden Strukturiertheit des Katalogbilderkonzepts; stabilisierend auch in dem Sinne, als dass Werke dieser Serie bis heute realer Fond sind, neue Flächen und eine Plattform bilden können - Bühnen für Einsetzungen aus dem Archiv der Katalogbilder.
Solche Bewegungen im Rhizom der Malerei, Verschiebungen in ihren Bildfindungen, vermögen neue Perspektiven und Erkenntnisse freizulegen, genauso wie sie mit neuen Paradoxen und Dilemmata konfrontieren.
Die im Rahmen der Ausstellung hydra in der Galerie Max Mayer präsentierten und angefertigten Arbeiten, drei Großformate sowie ein Mittelformat, sind Zeugnisse solcher Verschiebungen. Es handelt sich bei allen gezeigten Werken um Modifikationen, Anpassungen, aber auch um Verschränkungen verschiedener Orts- und Zeitebenen. Sie sind Neubefragungen und Setzungen, nicht ohne auch immer die Möglichkeit des Weiteren, des Anderen in sich zu tragen und somit ein Bewusstsein für das Ende des Endes zu schaffen. Endlich!