Warum sich mit Köln oder New York aufhalten, wenn es Orte und Milieus gibt, anhand derer sich sehr viel differenzierter nachvollziehen lässt, wie die „moderne Kunst“ zur „zeitgenössischen“ wurde? Einer dieser Ort ist... Stuttgart. Im Schatten der großen Kunstzentren, in der südwestdeutschen Peripherie wurden an der Wende der 1970er- zu den 1980er-Jahren Modelle künstlerischer Autorschaft erprobt, die sich in zweifachem Sinn als resilient – und deshalb aus gegenwärtiger Perspektive als interessant – erweisen.
Bis heute behaupten sich diese Modelle zum einen im Spannungsfeld von „Ausstellung“ und „Diskurs“, „Institution“ und „Selbstorganisation“ aber auch von taktischer Klandestinität und mangelnder Nachfrage, statt sich mit hilfloser „Systemrelevanz“ anzubiedern. Zum anderen hat sich in diesem Zusammenhang, als Effekt darauf, ein regelrechtes Mindset herausgebildet, das, im Nachhinein, als „das Kuratorische“ zu bestimmen wäre. Das Kuratorische in der Verbindung künstlerischer, diskursiver und vermittelnder Arbeitsweisen prägt als mittlerweile global verbindlicher Standard die Produktion und Rezeption von Kunst und ihre gesellschaftliche und kulturelle Funktion.
Das Ausstellungsprojekt I AM THE AUDIENCE & / Theorie installieren: „Die Idee des Neuen“ zerfällt in zwei Teile, die zeit- und kunsthistorisch aufeinander bezogen, auf denselben Problemzusammenhang zurückgehen.
Die Ausstellung rückt erstens ausgewählte Arbeiten, Projekte und Ideen in den Fokus, die, keine hundert Meter voneinander entfernt, in zwei mittlerweile mythischen Stuttgarter Kunsträumen – der privaten Kunstschule an der Neuen Weinsteige und der Galerie Kubinski an der Olgastraße – ihren Ausgang nahmen. Was künstlerische Autorschaft sein kann, was es für die künstlerische Praxis bedeutet, wenn sie auch in Reaktion auf die gesellschaftlichen Verhältnisse ausstellungs- und diskursförmig geworden ist, welche Konsequenzen das für die „Veröffentlichung“ und „Rezeption“ von Kunst hat, war der gemeinsame Problemhorizont, auf den sich die vielen, unterschiedlichen, teils miteinander verbundenen, teils konkurrierenden Projekte realer und fiktiver Akteure, Initiativen und Unternehmen in Stuttgart aber auch in Köln, München, New York und andernorts beziehen lassen.
Der zweite Teil der Ausstellung widmet sich den so genannten „Theorieinstallationen“, die, ein gutes Jahrzehnt später, aus der Zusammenarbeit des Atelier Klaus Merkel mit der Jackson Pollock Bar hervorgegangen sind. Die zwischen 1993 und 1995 entstandenen, insgesamt vier Theorieinstallationen kamen damals u. a. in Freiburg, Nürnberg und Wien zur Aufführung. Ein zentraler Punkt des Projekts ist dabei, wie sich die modernitätstheoretisch nach wie vor relevante „Idee des Neuen“ ausgerechnet am Beispiel der Malerei und ihrer Diskurse adressieren lässt.
Im Rahmen der Ausstellung im kunstbunker forum für zeitgenössische kunst wurde eine Neuproduktion des „Ad Reinhardt Monologs“, der erstmals 1993 im Grand Hotel der französischen Streitkräfte in Freiburg uraufgeführten, zweiten Theorieinstallation realisiert. Die Aufführung fand am 4. Juni 2023 um 18 Uhr statt.
Mit Werken, Filmen und Dokumenten von und zu u. a. Christian Brügge, Famili, Jackson Pollock Bar in Zusammenarbeit mit Atelier Klaus Merkel, Klaus Merkel, Jeannette Müller, Stefan Ravena und Angelika Wiesenthal.