Klaus Merkel

Texte

Hans-Jürgen Hafner: Master Slave System (afterglow)

Basel, Pressetext, Galerie Nicolas Krupp, 2018

Das malerische Oeuvre von Klaus Merkel (Jg. 1953) ist von einer brisanten Beziehung zwischen dem einzelnen Bild und dem Zusammenhang des Werks im Großen und Ganzen, als Element seiner Syntax gekennzeichnet. Im Zentrum des Oeuvres steht dabei die Malerei – aber nicht als simplifizierende Anwendung eines spezifischen künstlerischen Mediums mit vorgezeichnetem Ausgang: nach dem, was unter Malerei fällt, automatisch gleich Kunst wäre. Vielmehr stellt Merkel Malerei als künstlerisch produktives Problem her, das es zwischen den Polen ‚Malen’ (gleichermaßen als Technik und Wissen), ‚Bild’ und ‚Kunst’ zu den jeweils aktuellen Bedingungen immer wieder neu zu bearbeiten gilt. Mitte der 1980er Jahre bricht Merkel mit der üblichen linearen Logik malerischer Produktion und rüstet sein Oeuvre – konsequent mit den Mitteln der Malerei und grundsätzlich dem Format des Tafelbilds verpflichtet – als diskursiven Raum aus. Dieser wird von syntaktischen Bezügen zwischen den einzelnen Bildern, spezifischen Serien und Werkgruppen aber auch solchen zwischen Formen der Ausstellung, Publikation und Archivierung, mithin Ausweitungen der künstlerischen Arbeit ins Kuratorische, Theoretische und Performative zusammengehalten und strukturiert. Das gilt insbesondere für den seit 2010 entwickelten Komplex „Master Slave System (afterglow)“, der – als konzeptuelles Nachglühen – aus einer gleichnamigen, zuvor 2011 und 2014 gezeigten Werkgruppe hervorgegangen ist.

Die malerischen und konzeptuellen Voraussetzungen dafür stellt Merkel in der siebenteiligen Serie der „Katalogbilder“ (1992-1995) her. Als Werkgruppe markieren sie eine wichtige Zäsur innerhalb des Oeuvres und sind nach wie vor Bezugspunkt für dessen weitere Entwicklung. Auf sieben, frei stehend präsentierten Bildtafeln hat Merkel sein bis zu diesem Zeitpunkt entstandenes Oeuvre von rund 500 Bildern im Maßstab 1:10 verkleinert, sozusagen als gemalter Katalog, verdoppelt. Dieser Katalog dient seither als Musterbuch, auf dessen Basis Merkel neue Bildideen, wiederum auf Basis von Wiederholung, Gruppierung und Variation entwickelt. Er revidiert damit die im Zuge der 1980er Jahre wieder populär gewordenen Traditionalismen autorschaftlicher Autonomie und künstlerischer Originalität, denen er handwerklich und konzeptuell gleichermaßen mit der Kopie begegnet. Zugleich zieht Merkel mit dieser Werkgruppe ein Fazit aus seiner bisherigen Ausstellungspraxis: beispielhaft etwa seine Einzelausstellung (freundlich)im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf von 1988. Dort hatte der Künstler eine retrospektive Auswahl von Einzelbildern an einer Wand des Ausstellungsraums als Hängung installiert, so dass die einzelnen Bilder und Bildserien in einem wandfüllenden Gesamtlayout aufgingen. Durch das Verfahren der Verdopplung, die Möglichkeit der Kombination und Kontextualisierung im Format des Tafelbilds schafft sich Merkel ein flexibles Werkzeug, mit dem er fortan kuratorische, performative und institutionskritische Arbeitsweisen von der Malerei her beanspruchen, in Form gemalter Bilder umsetzen kann; und mit dem er – unabhängig von den institutions- und kommerzabhängigen Konjunkturen der Rezeption von Kunst – seine eigene Geschichte gestalten kann. Vor allem lenkt Merkel die Aufmerksamkeit aber zurück aufs Tafelbild als materialen proof seines diskursiven Projekts.

„Master Slave System (afterglow)“ verschärft die erstmals in den „Katalogbildern“ verhandelten konzeptuellen Möglichkeiten der Malerei sogar noch und trägt damit auch der veränderten Rezeption der Malerei, speziell als Gegenstand einer zunehmenden Akademisierung seit Ende der Nullerjahre Rechnung, die Hand in Hand mit der Ökonomisierung des Kunstfelds Hand in Hand geht. Paradoxerweise ist es die erneute Popularität der Malerei, ihr Erfolg nicht nur im institutionellen und kommerziellen Tagesgeschäft der Kunst sondern gerade auch ihre aktuelle Prominenz als Kategorie im akademischen Gespräch, die das ihr gerade als Praxis eigentümliche Strittige verdeckt. Merkel verschiebt die Schlüsselfrage der 1980er Jahre, wie Bilder unter den gegebenen historischen Bedingungen künstlerisch progressiv einzusetzen wären – das von Douglas Crimp formulierte epochale Problem „Why Pictures Now?“ – unter die Vorzeichen der Malerei. Warum Malerei ausgerechnetjetztrelevant sein sollte, diese Frage ist ohne Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen den Möglichkeiten des Malens als Praxis der Kunst, der Rolle von Bildern in und außerhalb der Kunst und dem Anspruch, diesen Sachverhalt, eben, als Kunst zu adressieren, kaum zu klären.

Im „Master Slave System (afterglow)“ wendet Merkel seine über das Atelier, die Ausstellung und den Text verteilte malerische Praxis gegen das Apriorische einer ‚Institution Malerei’, indem er deren Gemachtheit aufzeigt. Zu Recht verlässt er sich dabei auf das einzelne Bild, das einerseits um seinen Stellenwert in der Syntax des Oeuvres weiß und andererseits in sich mit der ganzen Vehemenz dieses Oeuvres zu argumentieren und dennoch als Malerei unmittelbar zu wirken versteht. Geht es doch immer auch darum, jedes einzelne Bild innerhalb des Oeuvres an und für sich zum Gelingen zu bringen und als zeitgenössisches Gemälde mit Attraktivität, Sinn und Relevanz auszustatten.