Klaus Merkel

Texte

Annette Hofmann: shell

Freiburg, Badische Zeitung, 6. Oktober, 2023, 2023

Architektur einer Ausstellung

Die Gemeinschaftsschau „shell“ im Pförtnerhaus Freiburg ist auch eine Rauminstallation. Ein Sinnbild für die Autonomie der Kunst. Für einen Raum, bei dem Sichtbarkeit alles ist - schließlich kann das Team des Freiburger Off-Space Pförtnerhaus keine regulären Öffnungszeiten einrichten - ist es eine Aussage, wenn die Hälfte der Ausstellung im Verborgenen bleibt. Und das nicht nur bei einem Blick hinein, jenseits von Vernissage und Finissage. Auch wenn man im Raum steht, entzieht sich dessen rechte Hälfte weitgehend dem Betrachter. Selbst dann, wenn man sich an die Lichtverhältnisse gewöhnt hat, ist noch immer schwer auszumachen, was man da sieht. Und das ist Absicht. Nicht nur verdichten sich die Arbeiten auf der rechten Seite immer stärker, sie werden auch immer dunkler bis hin zu einem Bild Klaus Merkels, das zeigt, wie lebhaft Schwarz sein kann. Auch eine Gemeinschaftsarbeit von Merkel und Achim Sakic aus bemaltem Glas dient als Verdunkelung und absorbiert zusätzlich Licht.

„shell“ heißt die gemeinsame Ausstellung von Klaus Merkel, Achim Sakic und Christian Schliesser.

Man könnte den Titel mit Muschel, Schale oder auch Granate übersetzen. Man kann aber auch angesichts der Architektur dieser Ausstellung an ein Schneckenhaus denken, je näher man dem Inneren kommt, desto weniger durchdringt es das Auge. Eigentlich ein schönes Sinnbild für die innere Blindheit gegenüber dem, was wir sehen und für die Autonomie der Kunst.

Die drei Künstler haben dafür ihre eigene Autonomie zumindest eingeschränkt. So gibt es gleich mehrere Arbeiten, die als Kooperationen entstanden sind. Etwa die gemeinsame Zeichnung von Sakic und Schliesser. Christian Schliesser hat in ein Gestänge von Achim Sakic das selbst wie eine Ausstellungsarchitektur wirkt, einen schmalen Birkenstamm eingefügt. Er fängt irgendwo an und hört irgendwo auf, er ist ohne Äste und scheint zu schweben. Eine ganze Serie dieser Segmente von Birkenstämmen ist im Pförtnerhaus zu sehen.

Schliesser hat die Moorbirken auf Wanderungen im Hohen Venn in Belgien und im Allgäu entdeckt, ihre Rinde wäre eigentlich schon Natur-zeichnung genug. Doch im Fragmentarischen dieser gezeichneten Bäume liegt auch etwas von der Kargheit der Moorlandschaft und ihrer Zeitlosigkeit.

Erinnerungen an die Malerei speichern die Bilder Klaus Merkels, die jeweils neue Zusammenhänge durch die Variation ihrer Elemente schaffen und so ihre eigene Grammatik bilden.

Sakic hingegen zitiert mit einer Zeichnung, die einen anamorphisch verzerrten Totenkopf zeigt, Hans Holbeins Gemälde „Die Gesandten“. Es ist kaum möglich, den Standpunkt zu finden, von wo der Schädel perspektivisch korrekt zu sehen ist und man nicht selbst im Bild ist.